Es war eine Feier wie fast jede andere, viele Wichtigtuer und Möchtegern-Stars, einige Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren und andere, die einfach nur ein paar Getränke abstauben wollten.
Gegen Mitternacht erreichte die Feier einen Tiefpunkt, der Gesprächsstoff war ausgegangen. Die Wichtigtuer hatten Ihre Prahlgeschichten verpulvert, die Möchtegern-Stars Ihre Träume mitgeteilt, die sie vor hatten, im Folgejahr ganz sicher zu verwirklichen und die Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren, erzählten ja bekanntlich eh nicht viel.
Ich stand zu diesem Zeitpunkt am Tresen und ließ mir vom Barkeeper einen Gin-Tonic machen, bestand aber auch hier darauf, dass Bombay Sapphire verwendet wurde, die kernlose Zitrone unter dem Eis zu sein hatte und das Mischungsverhältnis 2:1 zugunsten des besten Gin, den man für Geld kaufen kann, auszufallen hatte. Nachdem der Barmann mir mit einem etwas genervten Blick mein Glas reichte, ich kostete und mit dem Ergebnis zufrieden war ergriff ich das Wort und stelle die Frage in den Raum, ob alle wüssten, was für Geräusche die Pferde in Wyoming im Winter machten. Einige der Gäste machten sich Gedanken, andere Brummten ein wenig – ein leises Tuscheln ging durch die Reihen.
Ich löste das Rätsel indem ich einen Schritt vor trat, die Arme hängen ließ, die Unterlippe hervorschob und mich mit einem „Brrrrrr-Prrrrrr“ schüttelte wie vor Kälte. Und begründete diese Eigenschaft der herrlichen Wyoming-Pferde auch gleich mit der stets herrschenden Kälte im Winter, die die Wäsche auf den Leinen steif werden lässt und führte die Geschichte fort:
„Ich konnte dies am eigenen Leib erfahren. So hoch stand uns der Schnee auf den Schulterklappen.“ und zeigte dabei mit meiner linken Hand ca. 20-22 cm über meine rechte Schulter. „Es war furchtbar kalt und windig, wir waren zu fünft und hatten nur noch 7 Schuss in der Winchester. Alle mussten sitzen, mehr war nicht drin. Das Feuer war ausgegangen, daher auch Drang nach mehr Munition“. Hier unterbrach mich ein junger Mann aus der Zuhörerschaft: „Alles erstunken und erlogen, in den letzten 40 Jahren hat es in Wyoming maximal 18 cm pro Tag geschneit und nicht über 20, wie Du soeben gezeigt hast. An Deiner miesen Geschichte ist nichts dran!“
Ich belehrte den Mann indem ich ihm nochmals verdeutlichte, dass ein starker Sturm herrschte und wir uns gegen den Wind stemmen mussten. Bei einem geschätzten Winkel der Schulterklappen von 45° wäre somit die theoretische Schneehöhe auf unseren Schulterklappen 18 * Wurzel aus 2, also 25,45 cm, die wir aber an dem Tage nicht erreicht hätten. Statt einer qualifizierten Antwort stürmte der Fremde vor und landete einen Faustschlag, der bis zu meinem Unterkiefer vordrang. Den zweiten Schlag konnte ich parieren und dem dritten ausweichen, da ich mittlerweile vorbereitet war. die Menge wich auseinander um nicht versehentlich von dem Pöbel getroffen zu werden und bildete einen Ring um uns in Erwartung einer sportlichen Auseinandersetzung in Form eines Boxkampfes. Was nun folgte war jedoch nicht wirklich als Boxkampf zu bezeichnen, der Unbekannte stürmte wild hinter mir her, ich unterdrückte mein Testosteron und ließ meine weibliche Seite dominieren und wich den Schlägen und Tritten aus anstatt diese zu erwidern. Was stattfand war also eher Schach im Boxring, bloß ohne Würfel.
Da erkannte ich den Mann, den ich hier einfach Max nennen möchte, obwohl er Florian hieß. Max war einer der Männer, mit denen wir in Wyoming im Schneesturm festgesessen hatten. Ich begriff sofort, woher sein Frust rührte und rief ihm zu: „Hättest DU nicht wegen deiner vor Schnappsdurst zitternden Hand den Büffel mehrfach verfehlt, so hätten wir damals noch mehr Munition übrig gehabt um uns vor den herannahenden Apachen zu schützen!“ Max brach, wie vom Blitz getroffen in sich zusammen und weinte bitterlich. Nur etwa eines der Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren, kümmerte sich um Max. Einige Wichtigtuer und Möchtegern-Stars kamen zu mir um noch weitere Erfahrungsberichte von meiner Reiterreise zur Bitterroot Ranch und unserem Camp am Wind Rivers zu erfahren. Ich war jedoch nicht in der Stimmung dazu, der Unterkiefer von dem Faustschlag tat mir nun doch sehr weh und ich überlegte ob ich noch genug Morphium im Haus hatte und bestellte mir zur Sicherheit einen weiteren Gin-Tonic, wie immer mit Bombay Sapphire, eine kernlose Zitrone unter dem Eis und dem Mischungsverhältnis 2:1 zugunsten des Bombay Sapphire und begann ein belangloses Gespräch mit dem Barkeeper. Aus dem einen Gin-Tonic wurden zwei oder sieben. Als ich mich dann umdrehte, war die Feier zu Ende. Eines von den einige Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren lag mit einem Wichtigtuer in der Hollywood-Schaukel.
Ich beschloss nach Hause zu gehen. Die Straßen waren noch Feucht vom Regen am Nachmittag und der Mond hinter Wolken verhangen. Ich schaute mich ein wenig auf den leeren Straßen um und bemerkte, dass in dem Eckhaus, welches ich schon als Kind wegen seiner gotischen Säulen im Eingangsbereich bewundert hatte, im dritten Stock noch Licht brannte. Im Fensterkreuz da hing ein roter Luftballon.
Ich ging aber einfach weiter.
H.
Hahahahahah…
Brüll: „Fortsetzung, Fortsetzung, Fortsetzung!“